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Großmanöver Defender 2020

Mit Tempo in den Neuen Kalten Krieg

In diesem Jahr wird das Säbelrasseln gegen Russland von Ende Januar bis in den Mai von dem größten US-Manöver seit etwa einem Vierteljahrhundert begleitet, dem zu allem Überfluss auch noch diverse NATO-Manöver angegliedert sein werden. Hierzulande wird „Defender 2020“ vor allem in den Monaten April und Mai stattfinden, wobei Deutschland nicht nur über die NATO-Manöver, sondern vor allem bei der logistischen Unterstützung der US-Truppen eine zentrale Rolle spielen wird.

Inzwischen hat die Bundeswehr eine eigene Internetseite zum Manöver aufgestellt, auf der sie zur Untermauerung ihrer wichtigen Rolle unter anderem das folgende, aus friedenspolitischer Sicht doch recht düstere Bild zeichnet: „Transportkolonnen in der Nacht auf deutschen Autobahnen, lange Güterzüge, die durch deutsche Bahnhöfe gen Osten rollen, Panzer auf Binnenschiffen im Ruhrgebiet: Wenn die Amerikaner im kommenden Jahr mit Defender Europe 20 die Verfahren zur Verlegung von umfangreichen Kräften aus den USA nach Osteuropa üben, wird Deutschland aufgrund seiner geo-strategischen Lage im Herzen Europas zur logistischen Drehscheibe.“

Weil die NATO-Kriegsplanungen mit Blick auf Russland auf der Fähigkeit zur schnellen Verlegung großer Truppenkontingente Richtung Osteuropa basieren, soll Defender 2020 vor allem in diesem Bereich substantielle „Fortschritte“ bringen. Auch sonst sickern allmählich immer mehr Details zum geplanten Großmanöver durch und auch die Friedensbewegung bereitet sich auf das Ereignis vor, damit Defender 2020 nicht ungestört über die Bühne gehen wird.

Szenario: Russland – Russland – Russland

Mit beängstigender Zielstrebigkeit bereiten sich die NATO, die USA und auch Deutschland auf die „Wiederkehr der Konkurrenz großer Mächte“ (Ursula von der Leyen) vor, indem sie Strategie und Struktur ihrer Truppen auf einen „erfolgreichen“ Sieg über Russland (und China) ausrichten. Das trifft für Deutschland etwa mit Konzeption und Fähigkeitsprofil der Bundeswehr zu, die beide die Aufstellung von Großverbänden gegen Russland als Ziel ausgeben.

Aber auch die USA haben bereits mit ihrer Ende 2017 veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie den Weg Richtung Großmachtkonkurrenz eingeschlagen: „China und Russland fordern die amerikanische Macht, ihren Einfluss und ihre Interessen heraus und versuchen Amerikas Sicherheit und Wohlstand zu untergraben. […] Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die militärische Überlegenheit der USA weiterbesteht. […] Wir werden den Frieden durch Stärke wahren, indem wir unser Militär neu aufstellen, damit es vorherrschend bleibt, unsere Feinde abschreckt und, sofern erforderlich, in der Lage ist, zu kämpfen und zu siegen.“

Daran knüpften dann die im Folgejahr veröffentlichte Nationale Verteidigungsstrategie sowie die Nationale Militärstrategie an, was dann wiederum in die Haushaltsschwerpunkte 2020 einfloss. In der Verteidigungsstrategie heißt es etwa: „Die langfristige Auseinandersetzung mit China und Russland ist die wichtigste Priorität für das Verteidigungsministerium, was sowohl höhere als auch nachhaltigere Investitionen erfordert.“

Es ist dieser Kontext, in dem Defender 2020 zu sehen ist, wenn es im zugehörigen Factsheet der US-Armee heißt: „In Zukunft muss das US-Militär in der Lage sein, gegen einen annähernd gleichstarken Gegner verlege- und kampffähig zu sein, um in einem mehrere Ebenen umfassenden hochintensiven Konflikt klar zu gewinnen. Defender Europe 20 baut auf strategischer Schnelligkeit auf und operationalisiert die Ziele der Nationalen Verteidigungsstrategie wie auch die der NATO-Abschreckung, indem die Fähigkeit des US-Militärs demonstriert wird, schnell eine große kampffähige Truppe zusammen mit Verbündeten und Partnern zu verlegen, um rasch auf eine Krise zu reagieren.“

Noch ein gutes Stück konkreter wird US-Brigadegeneral Sean Bernabe, der zum Szenario von Defender 2020 mit den Worten zitiert wird: „Es beinhaltet einen fiktiven nahezu gleichstarken Konkurrenten und verortet diesen Konkurrenten auf europäischem Boden. […] Das Szenario wird in eine Post-Artikel-V-Umgebung eingebettet […] und auf das Jahr 2028 gelegt.“

Offiziell wird zwar halbwegs der Schein gewahrt, indem betont wird, das Manöver sei gegen keinen bestimmten Staat gerichtet. So erklärte etwa der zuständige US-General Andrew Rohling Mitte Januar 2020, die Übung richte sich „überhaupt nicht gegen eine bestimmte Bedrohung“. Allerdings ist es natürlich völlig offensichtlich, dass dem nicht der Fall ist. Und meist wird daraus auch kaum ein Hehl gemacht, wenn es etwa in einem Tagesschau-Kommentar heißt: „Es gilt der alte Grundsatz: ‚Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor.‘ […] Das großangelegte Manöver „Defender 2020“ ist richtig und notwendig. Auch, weil es das klare Signal an Russland sendet: Im Fall der Fälle wäre die NATO bereit. […] Dem westlichen Militärbündnis NATO ist klar: Appeasement, also Beschwichtigungspolitik, bringt nichts. Sie gilt im Kreml als Zeichen der Schwäche.“

Kalkül: Tempo – Tempo – Tempo

Im Jahr 2016 kam ein Planspiel der RAND Corporation zu dem Ergebnis, Russland sei in der Lage die baltischen Staaten innerhalb kurzer Zeit zu erobern. Tunlichst vermieden wurde dabei die Frage, weshalb Moskau sich hierzu hinreißen lassen sollte, dennoch dienten die RAND-Ergebnisse als Rechtfertigung für die im selben Jahr beschlossene Stationierung der „Enhanced Forward Presence“ – also von vier NATO-Bataillonen à 1.000 Soldaten in den baltischen Staaten und Polen.

In den Vorstellungen der westlichen Militärs sind diese Truppen nicht dazu gedacht, eine ernsthaft angreifende russische Armee besiegen zu können. Sie sollen sie aber im Ernstfall solange aufhalten können, bis Verstärkung vor Ort ist – aus diesem Grund wird dem Verlegetempo entscheidende Bedeutung beigemessen. Als erste Verstärkungswelle ist die bereits 2014 beschlossene 5.000 Soldaten umfassende Ultraschnelle NATO-Eingreiftruppe (VJTF) vorgesehen. Wie sich aus sehr konkreten Planungen des Heereskommandos in dem Papier „Wie kämpfen die Landstreitkräfte künftig“ ersehen lässt, soll auch die VJTF vor allem erst einmal eines bringen, Zeit: „Die NATO VJTF-Brigade wurde […] verstärkt und verzögert gegen den Angriff überlegener mechanisierter Kräfte, um den Follow-On-Forces Zeit für die Verlegung und das Herstellen der Einsatzbereitschaft zu verschaffen.“

Als Zeithorizont für eine VJTF-Verlegung gibt die Bundeswehr an: „Die als NATO-Speerspitze bekannte Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) ist Teil der NATO Response Force. […] Die Anforderung: innerhalb von 48 bis 72 Stunden einsatzbereit an jedem Ort zu sein, wo die Truppe jeweils benötigt wird.“ Ab Tag fünf soll dann mit der Verlegung der restlichen, insgesamt 40.000 Soldaten umfassenden NATO Response Force begonnen werden. Und ab Tag 30 nach Beschluss sollen dann auch die zusätzlichen Truppen der im Juli 2018 beschlossenen und seit 1. Januar 2020 aktivierten NATO-Bereitschaftsinitiative mit 30.000 weiteren Soldaten im Krisengebiet präsent sein können. Summa summarum basieren also die NATO-Planungen darauf, dass es zwingend erforderlich ist, innerhalb von 30 Tagen ein Streitkräftedispositiv von etwa 70.000 Soldaten an die Ostgrenze verlegen zu können, um so einen russischen Angriff aufhalten und zurückschlagen und demzufolge von vorneherein abschrecken zu können.

Ungeachtet der hochgradig fragwürdigen Grundannahmen dieses Szenarios bestimmt es dennoch aktuell sämtliche NATO-Planungen mit Blick auf Osteuropa. Weil aber in den letzten Jahren wiederholt erhebliche Zweifel aufkamen, dass das anvisierte Tempo auch erreicht werden kann, soll nicht zuletzt Defender 2020 hier Abhilfe schaffen.

Defender 2020: Kosten – Routen – Ruheplätze

Einige Details über Defender 2020 sind bereits länger bekannt: So etwa, dass im Rahmen der Übung eine US-Division (20.000 Soldaten) von den USA bis an die Grenze Russlands verlegt werden soll. Bereits Ende Januar 2020 sollen die ersten US-Schiffe in belgischen, niederländischen, französischen und auch deutschen anlanden, wobei sich die meisten Aktivitäten in Deutschland auf die Monate April und Mai konzentrieren werden.

Insgesamt wird von 37.000 beteiligten Soldaten ausgegangen, wobei vermutlich noch einmal 7.000 US-Nationalgardisten hinzuzurechnen sind, die in diesen Zahlen wohl nicht enthalten sein dürften. In jedem Fall soll dabei mit 33.000 Stück Material im Gepäck etwa 4.000 Kilometer quer durch Europa manövriert werden. Neu ist eine erste Kostenschätzung der militärnahen Internetseite Breakingdefense, die unter Berufung auf US-Offizielle von 340 Mio. Dollar ausgeht – dies bezieht sich allerdings allein auf den US-Anteil.

Denn bei Defender 2020 handelt es sich zunächst einmal um ein reines US-Manöver, weshalb hier noch die (bislang unbekannten) Kosten für die angegliederten „NATO-Beimanöver“ hinzuzurechnen wären: Astral Knight; Allied Spirit XI; Dynamic Front; Joint Warfighting Assessment; Saber Strike; Swift Response; Trojan Footprint. Nachdem die US Army angibt, neben den aus den USA kommenden Truppen wären 9.000 in Europa stationierte US-Soldaten involviert, ergibt sich daraus, dass andere Verbündete die restlichen 8.000 Militärs über diese ergänzenden Manöver beisteuern (sofern die plausible Annahme zutrifft, dass die Nationalgardisten in den Gesamtangaben tatsächlich nicht mitgerechnet werden). Über die Kosten des deutschen Anteils an Defender 2020 konnte oder wollte der zuständige Bundeswehr-General Martin Schelleis auf Nachfrage am 14. Januar 2020 keine Angaben  machen.

Neu sind auch genauere Angaben über die durch Deutschland führenden Routen, die in einem an die Mitglieder des Verteidigungsausschusses versandten Schreiben aus dem Verteidigungsministerium vom 13. Januar 2020 genannt werden. Zu den Häfen, an denen Gerät und/oder Soldaten anlanden werden, zählen Bremerhaven, Bremen, Duisburg, Krefeld und Mannheim. Als Flughäfen werden sich Berlin, Bremen, Hamburg, Frankfurt, München, Nürnberg, Ramstein verdingen.

Von besonderem Interesse sind die geplanten Straßenrouten – als „Hauptstrecken“ nennt das Verteidigungsministerium nun in seinem Schreiben vom 13. Januar 2020 (etwas abweichend zu vorherigen Informationen) „von Venlo und Aachen über Dortmund – Hannover – Berlin – Frankfurt/O“ sowie „Bremerhaven – Hamburg – Berlin – Stettin“. Außerdem dabei die Strecke „Mannheim – Hannover“ und „Mannheim – Nürnberg – Dresden – Görlitz“.

Geschlafen wird in den „Rasträumen“ Rheindalen, Augustdorf, Burg Lehnin, Oberlausitz, Garlstedt, Stadtallendorf und Frankenberg, während „Convoy Support Center“ in Garlstedt, Burg und Oberlausitz sowie eine im Zuge des Manövers aufzubauende Tankanlage in Bergen Logistikunterstützung bieten sollen.

Gefahren werden soll vor allem Nachts, wobei – mutmaßlich, weil auch die Bundeswehr Proteste erwartet – die Planungen unter Änderungsvorbehalt stehen: „Es kann – kurzfristig – zu Änderungen kommen“, heißt es in dem Schreiben aus dem Verteidigungsministerium.

Deutschland: Transitland – Truppensteller – Logistiker

Im Zusammenhang mit Defender 2020 wurde schon mehrfach darauf verwiesen, dass schon in der „Konzeption der Bundeswehr“ vom Juli 2018 versucht wurde, sich als „mögliche Basis für Operationen, rückwärtiges Einsatzgebiet und Drehscheibe der Unterstützung“ anzudienen. Eine wichtige Funktion soll dabei – auch insgesamt in allen NATO-Planungen zur schnellen Verlegung von Material und Truppen gen Russland – das 2018 beschlossene und in Ulm beheimatete „Gemeinsame Unterstützungs- und Befähigungskommando“ (Joint Support and Enabling Command, JSEC) einnehmen. Deshalb soll das noch Rohstadium befindliche JSEC bei Defender 2020 nach Auskunft der Bundesregierung ebenfalls eine Rolle spielen: „[A]uch das sich in Ulm im Aufbau befindliche Joint Support and Enabling Command (JSEC) der NATO [wird] durch die Übung Combined Defender (CODE) eingebunden.“

Zur konkreten Rolle des JSEC als eine Art Generallogistiker bei Defender 2020 heißt es in der Januar-Ausgabe der „Europäischen Sicherheit und Technik“: „Das JSEC ist eine Art NATO-Streitkräftebasis. Es legt die genauen Märsche durch die Nationen fest, regelt die Grenzübertritte und sorgt für eine realistische Planung. […] Es bestimmt aufgrund der Angaben der US-Streitkräfte, wann diese wo welche Grenze überschreiten. Die nationalen Kräfte, in Deutschland die Streitkräftebasis, organisieren dann die Unterstützung im jeweiligen Land.“

Was die Gesamtzahl involvierter deutscher Soldaten anbelangt, hieß es am 14. Januar 2020 in der Taz: „4.000 Bundeswehr-Soldat*innen werden entweder im Rahmen des sogenannten ‚Host Nation Support‘ den Transport unterstützen oder selbst an einzelnen Teilübungen teilnehmen.“ Das würde bedeuten, dass 2.250 Bundeswehr-Soldaten an den NATO-Teilen von Defender 2020 teilnehmen. Denn in einem Werbevideo auf der relativ neu eingerichteten Bundeswehrseite zu Defender 2020 finden sich konkrete Angaben über die beteiligten Soldaten der Streitkräftebasis: „1.750 SoldatInnen und Soldaten vom Jäger und Panzerpionier über den Sanitäter bis zum Feldjäger.“

Diese Kräfte sind wie oben beschrieben vor allem für den sogenannten „Host Nation Support“ und damit die Unterstützung der US-Truppen innerhalb Deutschlands, also auch bei Defender 2020 zuständig. Die HNS-Kernaufgaben beschreibt die Bundeswehr wie folgt: „Host Nation Support ist die Unterstützung ausländischer Streitkräfte in Deutschland. Das geht beispielsweise von der Planung und Genehmigung von Durchfahrten über deutsche Straßen oder Gewässer bis hin zum Bereitstellen von Unterkünften oder Betankungsmöglichkeiten an unseren Standorten. Wenn Unterstützung gefragt ist, beauftragt das Bundesministerium der Verteidigung hiermit die Streitkräftebasis. Dort übernimmt das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr die Aufgabe und koordiniert mit dem Sachgebiet Host Nation Support die angefragten Leistungen über die Landeskommandos.“

Folgerichtig nennt die Bundeswehr folgende Wohltaten, die sie den US-Truppen im Rahmen ihres Manövers angedeihen lassen möchte: „Absicherung und Begleitung“, „Routenplanung“, „Betankung“, „Unterkünfte“, „Verpflegung“ und „IT-Anbindung“.

Ein wichtiger „Fortschritt“, der mit Defender 2020 erzielt werden soll, besteht in einer Art Generalzertifizierung militärischer Schwertransporte, die über das Manöver selbst hinausgehen soll. Hierfür kamen deutsche und US-amerikanische Logistiker bereits Ende November 2019 zusammen, um Nägel mit Köpfen zu machen: „Daher trafen sich kürzlich Spezialisten aus vier Logistikverbänden sowie der Logistikschule der Streitkräftebasis mit ihren US-amerikanischen Kameraden in Mannheim. In den Coleman Barracks standen verschiedene Gefechtsfahrzeuge zwecks einer Zertifizierung bereit. Denn jeder Panzertransport ist auf deutschen Straßen ein Schwerlasttransport, der jeweils ein Begleitkommando und einen Marschkredit – sozusagen die offizielle Genehmigung – bedingen. Passen also ein M1 Abrams oder der amerikanische Schützenpanzer Bradley auf die deutschen Schwerlasttransporter Mammut und Elefant? […] Gemeinsam packten die bi-nationalen Profis an und stellten ihre Fahrzeuge der Prüfungskommission vor. Das Ergebnis: Deutsche Logistikverbände können und dürfen ab sofort auch amerikanische Gefechtsfahrzeuge auf deutschen Straßen transportieren. Eine wichtige Erkenntnis und ein Fortschritt nicht nur für Defender 20. Denn die erstellten Zertifikate behalten über die Übung hinaus ihre Gültigkeit. Das erleichtert künftige Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Logistik erheblich.“

Gegenaktivitäten

Im Jahr 2019 sprengten die NATO-Militärausgaben mit 1,04 Mrd. Dollar erstmals die „magische“ Marke von 1.000 Mio. Dollar. Für 2020 wird allein Deutschland erstmals Militärausgaben von rund 55 Mrd. Dollar (50 Mrd. Euro) bei der NATO melden – schon das ist annähernd so viel, wie die etwa 60 Mrd. Dollar, auf die das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri das russische Militärbudget beziffert. Allein schon aufgrund dieser Diskrepanz ist die all diesem Säbelrasseln zugrundeliegende Grundannahme, dass nämlich Russland nicht nur fähig, sondern auch willens wäre, in ein NATO-Land einzumarschieren, gelinde gesagt fragwürdig. Selbst der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, kritisierte derlei Annahmen scharf: „Völlig absurd […] einseitig, unvollständig und einer rationalen Überprüfung nicht standhaltend. […] Putin weiß, dass dies die völlige internationale Isolation zur Folge hätte – mit unübersehbaren politischen und wirtschaftlichen Folgen für das Land.“

Allein schon deshalb bereitet sich nicht nur das Militär, sondern auch die Friedensbewegung auf Defender 2020 vor – am 18. Januar wird in Hamburg eine Aktionsberatung stattfinden, am 26. Januar 2020 in Leipzig. Schon Ende November hatten sich in Leipzig etwa 100 Menschen für eine erste Aktionskonferenz zusammengefunden, in deren Abschlusserklärung es hieß: „Das Manöver ist ein Umweltdesaster, eine wahnwitzige Verschwendung von Ressourcen und eine Zerstörung vielfältiger Natur. Es ist ein aktiver Beitrag des Militärs zur drohenden Klimakatastrophe. Die Gründe für seine Ablehnung sind vielfältig: politisch, militärisch, geostrategisch, ethisch, moralisch, historisch, klima-und umweltbedingt, verkehrs- und infrastrukturtechnisch sowie aktuell. Diese umfassende Ablehnung sollte zu einer Koalition der Vielfalt, der unterschiedlichsten Akteure und der vielfältigen Aktionen sowie der internationalen Zusammenarbeit entwickelt werden.“

Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien unter dem Titel „Großmanöver Defender 2020: Deutschland im Auge des Sturms“ bei Telepolis am 8. Januar 2020.  

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