Offener Brief
An die Bundesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden der LINKEN
Offener Brief
Zum Beschluss der Partei DIE LINKE: „Kriege und Aufrüstung stoppen. Schritte zur Abrüstung jetzt. Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die attac-ver.di Friedenskooperation (FrieKo) Nienburg muss mit großer Enttäuschung feststellen, dass die Partei DIE LINKE sich mit ihrem auf dem Bundesparteitag in Erfurt beschlossenen Leitantrag L03 „Kriege und Aufrüstung…“ schrittweise von den Positionen der Friedensbewegung entfernt. Damit schwenkt auch die letzte für die Friedensbewegung relevante, im Bundestag vertretene Partei auf einen Nato-affinen Kurs, der der LINKEN letzten Endes mehr schadet als nutzt.
Für uns ist es tragisch, dass DIE LINKE die Darstellung der westlichen Politik und ihrer Leitmedien übernimmt, die Russland als machthungriges Imperium darstellen, das erbarmungslos zuschlägt, wenn es vom Westen nicht daran gehindert wird. Besonders die Position zum Ukraine-Krieg, die zwar richtigerweise den Angriff Russlands verurteilt, ohne aber auch nur ansatzweise auf die Vorgeschichte und die damit wesentlichen Ursachen des Krieges einzugehen, entspricht nicht der Position der Friedensbewegung und ist auch ein Armutszeugnis für die Analysefähigkeit einer linken kritischen Partei.
Im Gegensatz zur LINKEN benennt die Friedensbewegung die wirklichen Ursachen eindeutig: Nato-Osterweiterung, Missachtung und Kündigung von Abkommen zur Rüstungs- und Stationierungskontrolle durch die USA und die Nato, westliche Unterstützung des Maidan-Putsches 2014, Nichtumsetzung des völkerrechtlich bindenden Minsk-II-Vertrages durch die Ukraine, militärische Aufrüstung der Ukraine auf Nato-Standard durch die USA und Großbritannien sowie die rigorose Ablehnung russischer Sicherheitsinteressen durch die Nato-Staaten. Bereits im Jahr 2008 wurde die von den USA betriebene Aufnahme von Georgien und der Ukraine lediglich durch das Veto von Frankreich und Deutschland verhindert.
An eindringlichen Warnungen, auch von zahlreichen westlichen Außenpolitikern und Experten, dass die Missachtung der russischen Sicherheitsinteressen eine solche militärische Reaktion provozieren könnte, hat es nicht gefehlt.
Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik grundsätzlich ab. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist ein herber Rückschlag für alle, die sich für Frieden engagiert haben – und gleichzeitig eine Herausforderung für die Friedensbewegung, ihre Bemühungen für zivile Lösungen zu intensivieren. Nicht zu viel Entspannungspolitik ist das Problem gewesen, sondern zu wenig! (Bundesausschuss Friedensratschlag Juni 2022)
Die Sanktionspolitik der Bundesregierung und der EU-Staaten droht für Deutschland und für die EU zur wirtschaftlichen und energetischen Katastrophe zu werden. (siehe Bundesausschuss Ratschlag Friedensbewegung) Die Preise für Energie und Nahrungsmittel schießen in Höhen, die eine breite Verarmungswelle auslösen werden. Durch den sanktionsbedingten Wegfall russischen Öles und Gases droht eine tiefgreifende Rezession mit Firmenzusammenbrüchen und Massenarbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung Nordstream 2 nicht in Betrieb zu nehmen kontraproduktiv. Die EU und zu aller erst die Bundesregierung muss umgehend für Energiesicherheit sorgen. Dafür müssen alle Wege ausgeschöpft werden, auch der weitere Import russischer Energie.
Statt an der unsäglichen Sanktionspolitik und den kriegsverlängernden Waffenlieferungen an die Ukraine festzuhalten muss alles dafür getan werden, dass die Ukraine und Russland sich unter internationaler Vermittlung wieder an den Verhandlungstisch setzen, um diesen Krieg schnellstmöglich zu beenden. Eine gangbare Lösung wäre der von Italien erarbeitete Friedensplan.
Wir fordern DIE LINKE auf, bei ihrer Position zum Ukraine-Krieg die Vorgeschichte zu berücksichtigen, das Nato-Narrativ eines imperialistischen Russlands nicht zu übernehmen und konkrete Schritte zu benennen, um den Energienotstand in Europa zu überwinden. Die im Beschluss genannten Vorschläge sind dafür nicht oder nur unzureichend geeignet. Ohne einen konkreten Plan zur Energiesicherheit steht DIE LINKE bei kommenden sozialen Protesten wieder nicht an der Seite der Menschen, die sie am meisten benötigen.
Mit solidarischen Grüßen
Axel Nürge
attac-ver.di Friedenskooperation, Nienburg
Kommentare
von Susanne Kindler-Adam
31.07.2022
17:45 Uhr
31.07.2022
17:45 Uhr
Vielen Dank an die Autoren des Aufrufs! Dem kann ich mich nur anschließen. Eine historische und realpolische Sichtweise, die die faktischen Machtverhältnisse anerkennt, ist eine Sackgasse, die Friedensverhandlungen verhindert.