Anita Augspurgs Friedensrede (am 8. März)
Hört ihr das Donnergrollen in der Ferne?
Gewitter ist es nicht, dass sich aus dunklen Wolken
die helle Labung für die junge Saat ergieße.
Der Lärm bedeutet Tod und Untergang der ganzen Welt.
Ukraine ist nicht weit, zwei Stunden Flug Berlin nach Kiew,
wir dürfen die Ermahnung nicht missachten!
So steh ich nun vor euch, musst aufstehn aus dem Grabe,
um hier erneut dem Frieden in der Welt das Wort zu reden.
Ihr kennt mich wohl. Zu meiner Lebtag hab ich stets
der Frauen Freiheit und des Friedens Botschaft
unters Volk gebracht und mich auch nie gescheut,
den Mächtigen Parol zu bieten.
‘s ist Krieg – er geht uns alle an!
Es kann sich niemand davor drücken.
Und wenn euch nicht der Menschen Leid
im Osten dort zu Tränen rührt,
so denkt zum Wenigsten daran, wie schnell
die grause Wut der Waffen hier sein kann.
Wir feiern heut den internationalen Tag der Frauen.
Die Frage lautet: was ist Frau und was ist Mann?
Die Frage sollte sein: was ist der Mensch?
Denn erst wenn alle Menschen ungeachtet ihrer Art
in Frieden und Respekt zusammen leben können,
erst dann gelingt es uns, von Kriegen frei zu sein.
Doch Krieg ist mehr als nur ein Wort,
das man verschweigen kann,
er ist Gewalt und böse Tat
und ist durch Taten zu besiegen.
Krieg aber bringt den Tod zu beiden Seiten,
nur Opfer gibt’s, nicht Sieger und Verlierer.
Fast acht Jahrzehnte lebtet ihr im Frieden,
ihr dachtet, Krieg ist nur Erinnerung.
Nicht alle Völker warn wie ihr so glücklich.
Sie pochten hilfesuchend oft ans Tor.
Ihr aber könnt so frei sein zu entscheiden,
wer zu euch fliehen darf, wer nicht.
Es steht kein Denkmal über Babyn Jar, schrieb Jewtuschenko,
jetzt wacht ein Denkmal übers Massengrab:
die Menora, zerbombt von russischen Raketen.
So höhnen Putins Söldner jenem Tag im Jenner,
an dem die Roten Truppen Auschwitz-Birkenau befreiten.
Wie konnten Russen diesen Tag vergessen?
Arglistig wählt der kriegsbesessene Tyrann
die jungen Männer aus den Dörfern aus,
die – kaum belesen und mit wenig Wissen
über Politik – sich Patrioten dünken.
Dem Vaterlande wolln sie Dienst erweisen,
sich opfern für den Nachruhm ihres Zaren.
Wie Dichter sind doch Bauern.
Aus grober Krume formen sie die milde Frucht,
die nährt und prägt und uns am Leben hält.
O Sünde, eine ganze Gen’ration von Bauernjungen
um maskuliner Gier nach Macht und Reichtum willen
ins sichere Verderb zu führen!
Ihr Frauen, stehet auf wie ich!
Gedenket der Geschichte, die uns Pflicht
zum Handeln heute auferlegt.
Mariupol mahnt uns wie Leningrad:
vor achtzig Jahren starben dort die Menschen,
durch deutsche Truppen abgeschnitten von Versorgung.
Ein gleicher Völkermord geschieht in Kiews Schwesterstädten,
die ohne Strom und Wasser, ohne Lebensmittelnachschub
den Würgegriff des russischen Aggressors
erleiden müssen und sich kaum noch wehren können.
Doch mit dem Mute der Verzweiflung
erkämpfen die Verteidiger des Todes Aufschub.
Du böser Wicht, im Kreml eingeschlossen,
in deinen Augen grimmt schon längst der Tod,
und aus der Haut strömt dir der schale Ruch des Todes.
Du hast nicht eine Nacht durchwacht, als deine Kinder weinten,
nicht eine Unze Schnee geschmolzen, ihren Durst zu löschen
oder der kranken Mutter Stirne zu benetzen.
Ihr Männer, hört das Friedenswort der Frauen!
Setzt alle eure Mittel ein, den Feind zum Rückzug zu bewegen.
Verhindert diesen Genozid an beiden Völkern.
Man kann nicht kämpfen, ohne selbst zu leiden.
Es kostet Tränen, Schweiß und Blut,
dem Kriege Einhalt zu gebieten.
Nicht nur um Frieden geht es in dem Kampfe.
Es geht auch um die Freiheit, hier wie dort.
Denn allzu oft nimmt sich der Übermut der Herrscher
die Not, dem Angriff auf das Land zu wehren,
zum Vorwand für Verringerung der Rechte
und schon erkämpfte Anerkennung geht verloren.
Ihr Männer, die vom Krieg nicht lassen können,
die Botschaft, die wir bringen, ist die gleiche:
Die Menschheit, soll sie überdauern, muss
ein Ende setzen allem, was zerstört.
Es gibt nur einen Kampf für unser aller bess’re Zukunft:
damit die Erd‘ ein Ort bleibt, wo die Menschen leben können.
Vor mehr als hundert Jahren rief ich:
Gewährt den Frauen Freiheit und
ihr gebt der Welt den Frieden!
So ruf ich heute in die Welt:
ringt um den Frieden miteinander
und um der Menschen Freiheitsrecht.
[Sehr laut, mit erhobener Faust]
Gebt der Ukraine Freiheit
und der Welt den Frieden!
(Thomas Gatter)