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Wein und Talk - Nienburgs Chancen in den Zeiten der Globalisierung

Wie sieht es aus mit Nienburgs Chancen in den Zeiten der Globalisierung? Darüber diskutierten über 60 Interessierte beim Wein und Talk. NaturFreunde, ver.di und die Bücherbutze hatten eingeladen. Dabei wurde mit großer Zustimmung festgestellt, dass die Kleinstadt an der Mittelweser großes Potential für eine wirkliche Fahrradstadt habe. „Sie könne doch Rad- Hauptstadt werden, zumindest in Niedersachsen“, so ein deutliches Votum aus dem Publikum.

Zum Einstieg schilderte der Politikwissenschaftler Thomas Eberhardt-Köster ( attac) die  finanziellen Schwierigkeiten, mit denen alle Kommunen mehr oder weniger zu kämpfen hätten. Kommunen nähmen bei der Lebensgestaltung der Menschen einen großen Raum ein, könnten dem aber nur schwer gerecht werden. Durch Umverteilung von Vermögen und durch Steuerabbau seien ein Drittel aller Kommunen nach wie vor unter Haushaltssicherungskonzept gestellt, wenn sich auch die Lage in den letzten zehn Jahren etwas entspannt habe. Die öffentlichen Hände verschuldeten sich. Unter diesem Druck werde öffentliches Eigentum privatisiert, zum Beispiel im sozialen Wohnungsbau. So würden die Einnahmemöglichkeiten der Städte sinken, dagegen wüchsen private Vermögen einseitig zugunsten derer, die schon vermögend seien. Beispielsweise hätten 43% der Bevölkerung Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein, aber nur für 10% gebe es entsprechende Wohnungen.

Nicht so dramatisch stelle sich die Situation in Nienburg da, so Sozialplaner Sebastian Meyer von der Stadtverwaltung. Sein Sozialbericht über die Stadt liefert dazu die Zahlen und Fakten, herunter gebrochen auf die einzelnen Stadtteile. Die Finanznot mache sich auch in Nienburg bemerkbar, um so mehr versuche man, an Fördergelder heranzukommen. Ein gutes Beispiel für den eigenen Gestaltungsspielraum sieht er im Bildungs- und Familienzentrum in der Alpheide. Auch wenn die Innenstadt ein wichtiger Imagepunkt auch für die interkulturelle Begegnung sei, so müsse auch die Entwicklung in den Stadtteilen berücksichtigt werden. Die Stadt sei nicht nur die Innenstadt.

Die Globalisierung sei direkt in Nienburg sichtbar, merkte Klaas Warnecke (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, an.  Familiengeführte Betriebe müssten schließen und der Internetkauf stelle eine weitere Konkurrenz da. In den umliegenden Gemeinden würden Baugebiete ausgewiesen, doch Schwimmbad, Bibliothek und vieles mehr werden in Nienburg erwartet. Nach Nienburg käme zu wenig Kaufkraft von außerhalb, daher brauche das Mittelzentrum mehr Attraktivität. Warnecke wies auf zahlreiche Konzept-Entwicklungen der Stadt und für die Stadt hin, die ziemlich viel Geld gekostet hätten. Erkenntnisse daraus seien verwertet worden und würden auch in Teilen verwertet und umgesetzt, wie zum Beispiel beim Einzelhandelskonzept bei der Frage, was in die Innenstadt und nicht auf die grüne Wiese gehöre. Auch das Leitbild werde in der Arbeit genutzt und liege nicht in der Schublade.

Für Peter Schmithüsen, den Vorsitzenden der Grünenfraktion, macht sich die Globalisierung unter anderem am Verkehr bemerkbar.  Immer mehr Waren würden durch die Welt und durch die Stadt bewegt. Er plädierte für eine ehrliche Diskussion zur Frage, was wirklich wichtig sei und das Leben lebenswerter mache. „Vielleicht müssen wir akzeptieren, wenn ein Schwimmbad nicht mehr mit vertretbarem finanziellem Aufwand zu betreiben ist.“

Auch die Bürgerbeteiligung mit ihren Möglichkeiten und Grenzen wurde zum Thema . U.a. sprach Meyer an alle Interessierte eine Einladung aus, den Sozialplan weiterzuentwickeln. So gebe es zum Beispiel offene Arbeitsgruppen zum Thema Wohnen in Nienburg, wo bereits verschiedene Einzelpersonen und Gruppen mitwirkten.

Im Laufe der Diskussion kam immer mehr die Forderung auf, Nienburg zu einer Fahrradstadt weiter zu entwickeln. Schmithüsen bemängelte den Mut, konsequent autofrei zu denken. Warnecke sprach sich dafür aus, die Fahrradwege weiter auszubauen, wie es derzeit von Holtorf Richtung Innenstadt geplant wird. Aus dem Publikum kam die Forderung, Langendamm mit einem eigenen Radweg mit Unterführung der Bahnschienen anzubinden. In einem weiteren Beitrag wurde angemerkt, dass Nienburg viel positive Ansätze habe, um Fahrradhauptstadt (zumindest in Niedersachsen) zu werden.

Eberhardt-Köster machte Mut für die Idee der Fahrradstadt. Konsequente Planung habe in der Großstadt Kopenhagen dazu geführt, dass 50% des innerstädtischen Verkehrs mit dem Fahrrad bewältigt werde. Auch in Münster sei die Fahrradquote sehr hoch, in seiner Heimatstadt Düsseldorf liege sie dagegen nur bei 15%. Die Fußgängerzone müssten auch nicht mehrere Paketzulieferer befahren, sondern durch Konzessionen ließe sich dies einschränken. Laut einer Umfrage möchte die Mehrheit der Menschen in Mittelstädten leben. Dies scheitere vor allem an den Arbeitsplätzen. Umso mehr sei die Anbindung an den öffentlichen Fernverkehr wichtig. Eine Bevorzugung von regionalen Produkten in öffentlichen Ausschreibungen wäre sinnvoll.

Eberhardt-Köster sprach sich dafür aus, den Druck aus der Bevölkerung zu nutzen, damit sich Stadt und Verwaltung bewege, z.B. in Richtung Fahrradstadt. Die Moderatorin Hennemann-Kreikenbohm vom DGB regte an, dass die Veranstalter das Thema weiter verfolgen sollten.

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