Pressemitteilung zur Eröffnung der Ausstellung "Erinnern heißt Kämpfen"
Zwischen Anerkennung und Vergessen. Todesopfer rechter Gewalt in Niedersachsen seit 1990

Bürgermeister Jan Wendorf bei der Eröffnung der Ausstellung "Erinnern heißt Kämpfen"
Der Bürgermeister hob hervor, dass es wichtig sei auch und gerade im Rahmen der Feierlichkeiten zu 1000 Jahre Nienburg / Weser die dunklen Seiten der jüngeren Geschichte zu betrachten, um daraus zu lernen. Er zeigt sich sehr erfreut darüber, diese hochkarätige Ausstellung in der Stadt an einem so besonderen Ort wie dem Theater zeigen zu können.
Die Betroffenenberatung Niedersachsen erläuterte in einer fachlichen Einführung den Aufbau und die Hintergründe der Ausstellung und machte deutlich, vor welchen Herausforderungen und Hürden Angehörige und Freund:innen bei den Auseinandersetzungen um eine Anerkennung als Opfer rechter Gewalt gestellt sind. Ein Anliegen der Ausstellungsmacher:innen ist eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung der bisher noch nicht staatlich anerkannten Todesopfer rechter Gewalt, wie es in anderen Bundesländern bereits erfolgt ist.
Rudi Klemm machte als Vertreter des Runden Tisches in Nienburg anhand von konkreten Beispielen deutlich, dass rechte Gewalt in der Vergangenheit auch in Nienburg sichtbar wurde. So hatte z. B. die rechtsextreme Terrorgruppe „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) einen Nienburger Migrationsberater mit der Adresse der Beratungsstelle auf ihrer Liste potentieller Ziele. Die gut besuchte Veranstaltung wurde begleitet von einem thematischen Büchertisch der Buchhandlung Buch & Tee (ehemals Bücherbutze).
Die Ausstellung "Erinnern heißt kämpfen“ wird bis zum 02.03.2025 im Theater auf dem Hornwerk in Nienburg während der Öffnungszeiten des Theaters gezeigt. Führungen für Gruppen und Schulklassen sind nach Anmeldung unter folgender Mail zusätzlich möglich: runder.tisch.nienburg@gmail.com Mindestens zehn Menschen wurden in Niedersachsen seit 1990 aus rechten Motiven umgebracht. Staatlich anerkannt als Todesopfer rechter Gewalt sind bisher nur zwei von ihnen.
Bereits einen Tag zuvor hatten mehr als 600 Besucher*innen von Arndt Zeiglers Bühnenprogramm „Immer Glück ist Können“ die Gelegenheit beim Theaterbesuch in die Ausstellung zu schauen. Ein Besucher stellte beim Blick auf die Namen der Opfer erstaunt fest: „Die sind ja fast alle Deutsche.“ In der Tat fragen Rechtsextreme bei Gewalttaten nicht nach dem Ausweis. Die Abwertungsideologien innerhalb rechter Einstellungen umfassen neben Rassismus auch weitere Phänomene Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie beispielsweise Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit, Antifeminismus oder Sozialdarwinismus. Dennoch ist Rassismus das häufigste Tatmotiv bei rechten Gewalttaten.
So unterschiedlich die einzelnen Tatkontexte waren, es eint sie, dass die Täter ihre Opfer nicht wahllos aussuchten. Ihr Hass richtete sich nicht gleichermaßen gegen alle Menschen, sondern gegen Menschen, die sie bestimmten Gruppen zuordneten. Kolong Jambas Haut war Schwarz. Helmut Leja, Gerhard Fischhöder und Christian Sonnemann waren alkoholkrank, eine Zeit lang obdachlos oder wohnten in Sozialwohnungen. Andrea B. hat, als Frau, Hitlers Mein Kampf als „Scheiß“ bezeichnet. Gustav Schneeclaus bezeichnete Hitler als „einen großen Verbrecher“. Peter Deutschmann hat zwei Neonazi-Skins dazu aufgefordert, „den Scheiß mit dem Skinhead-Gehabe“ sein zu lassen. Alexander Selchow war Goth und trug gerne schwarze Kleidung, Matthias Knabe fiel durch seinen bunten Iro auf. Ihrer wird in dieser Ausstellung gedacht. Neben diesen neun Personen wird auch an das Leben und die Umstände des Todes von Hans-Peter Zarse und Sighild B. erinnert. Es gilt jedoch als eine traurige Gewissheit, dass in Niedersachsen noch mehr Menschen aus rechten Motiven das Leben genommen wurde. Von vielen Fällen – davon ist auszugehen – wissen wir nichts, von anderen wissen wir – zurzeit – nur wenig. Auch dieser Menschen, deren Todesumstände einer weiteren Aufklärung bedürfen und jenen Todesopfern rechter Gewalt, deren Namen wir (noch) nicht kennen, wollen wir in der Ausstellung gedenken.
Die Ausstellung wurde erstellt durch die Mobile Beratung Niedersachsen, die Betroffenenberatung Niedersachsen und durch Distance – Ausstieg Rechts Niedersachsen und ist gefördert im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und durch das Landes-Demokratiezentrum Niedersachsen (L-DZ).
Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ, des BAFzA, des L-DZ Niedersachsen oder des Landesprogramms für Demokratie und Menschenrechte dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autor*innen die Verantwortung.