Das Sozialprofil der Ampel-Koalition
BI Grundeinkommen vergleicht Versprechen und Umsetzung
Zum Stammtisch lud die Bürgerinitiative Bedingungsloses Grundeinkommen (BI BGE) jetzt in das Naturfreundehaus ein. Die in der HamS vom 19. September 2021 veröffentlichten BI-Sozialforderungen zur Bundestagswahl im Herbst 2021 sollten mit den Versprechungen und bisherigen Umsetzungen in der Ampelkoalition verglichen werden. Das Fazit in Bezug auf das "Hartz IV" ersetzende Bürger:innengeld und die BAföG-Reform fiel enttäuschend aus. Zur Kindergrundsicherung und zur Altersrente sind versprochene Entscheidungen noch nicht in Sicht. In Schreiben an die regional zuständigen MdB will die BI zwar Verständnis für bisherige Krisenfinanzierungen äußern, aber in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode armutsfeste Sozialgesetze einfordern.Zur Kindergrundsicherung
Die Stammtisch-Runde diskutierte zunächst die Kindergrundsicherung, die von 19 Organisationen im Bündnis Kindergrundsicherung vertreten wird und für die sich in ihren Wahlprogrammen die Bundestagsparteien SPD, Grüne und Linke eingesetzt hatten. Sie war mit Vorrang in den Koalitionsvertrag der Ampel aufgenommen worden und soll nun endlich im vierten Quartal 2023 ins Kabinett eingebracht und 2024 oder 2025 eingeführt werden. Der Plan sieht zwei Säulen vor.
Die erste ist ein „Garantiebetrag“ von mindestens 250 Euro monatlich für jedes Kind bis 18 – in Ausbildung bis 25, im Studium bis 27 Jahre. Es entspricht dem jetzigen Kindergeld, kann aber nicht wie bisher vom „Hartz IV"/Bürger:innengeld-Satz abgezogen werden. Die zweite Säule soll ein „Zusatzbetrag“ etwa gleicher Höhe werden, der mit geringerem Elterneinkommen ansteigt. Dafür fallen Kinderfreibetrag, Kindergeld, Kinderzuschlag und alle anderen Sonderleistungen weg. Garantie- und Zusatzbetrag zusammen würden damit das vom Verfassungsgericht gesetzte individuelle Recht aller Kinder auf ein soziokulturelles Existenzminimum einlösen und sie endlich weitgehend aus dem prekären SGB-II- und SGB-XII-Bezug herauslösen. Die Kindergrundsicherung wäre auch ein Schritt in Richtung eines Bedingungsloses Grundeinkommens für alle: individuell, existenz- und teilhabesichernd, ohne Arbeitsverpflichtung und Sanktionen. 2,9 Millionen armutsbedrohten Kindern und Jugendlichen hierzulande könnte geholfen werden. Allerdings kritisierte die BGE-Runde, dass die Ampel-FDP noch keine zusätzliche Finanzierung, sondern nur eine Verwaltungsvereinfachung mitträgt, der bislang genannte Höchstbetrag von ca. 500 Euro monatlich das derzeitige Existenzminimum bei weitem nicht abbildet und die zweite, antragsbezogene Säule praxisfern bleibt. Nur 35 Prozent der für den bisherigen Kinderzuschlag anspruchsberechtigten Eltern stellten Anträge.
Die BI-Forderung lautet daher: Jedes Kind und jeder Jugendliche bis zu 27 Jahren erhält als Kindergrundsicherung ein soziokulturelles Existenzminimum von derzeit 764 Euro pro Monat antragsfrei in einem Betrag.
Zur BAFöG-Reform
Während Gudrun Selent-Pohl vom BGE-Sprecher:innenkreis die wichtigsten Informationen zur Kindergrundsicherung einbrachte, übernahm das für die BAföG-Reform und die Alterssicherung ihr Mitsprecher Dorian Spange, für das Bürger:innengeld Mitsprecher Wolfgang Kopf. Seit diesem Wintersemester stieg der BAföG-Förderhöchstsatz um 8,4 Prozent von 861 Euro auf 934 Euro. Studierende oder Auszubildende, die bei den Eltern wohnen, erhalten höchstens 574 Euro. 50 Prozent der Fördersumme müssen jetzt als zinsloses Darlehen zurückgezahlt werden. Der Vermögensfreibetrag wurde von 8.200 Euro auf 15.000 Euro erhöht, für über 30-jährige auf 45.000 Euro. Die Altersgrenze für den BAföG-Bezug wurde von bislang 30 Jahren auf 45 Jahre zu Beginn des Ausbildungsabschnitts angehoben. Eine „elternunabhängigere“ Gestaltung im Hinblick auf die Kindergrundsicherung soll angestrebt werden. Um sich trotz BAföG-Verbesserungen ein Studium oder eine teure Aus- und Weiterbildung leisten zu können, müssen weiterhin zwei Drittel aller Studierenden einem Nebenjob nachgehen. Viele scheitern daran.
Die BI fordert: Das BAföG wird eltern- und altersunabhängig durch ein rückzahlungsfreies Bildungsgrundeinkommen von monatlich 1.200 Euro ersetzt.
Zur Rente
Zur Bekämpfung der zunehmenden Altersarmut insbesondere bei alleinstehenden Frauen und nach prekären Arbeitsverläufen hat die Ampel-Koalition bislang kein Konzept vorgelegt oder angekündigt. Der FDP-Vorschlag einer Aktienrente von mehreren Milliarden Euro aus Steuermitteln wurde wegen der Risiken des Finanzmarkts abgelehnt. Die im Koalitionsvertrag angesagte Haltung des Rentenniveuas und des Renteneintrittsalters (67 Jahre) reiche ebensowenig aus wie die für dieses Jahr angekündigte Rentenanpaasung von circa fünf Prozent – bei doppelter Teuerungrate.
Die BI-Forderung lautet weiterhin: Anhebung des Rentenniveas auf wieder 53 Prozent sowie Einführung einer Mindestrente von 1.200 Euro ab 63 Jahren.
Zum Bürger:innengeld
Seit Jahresbeginn wird das „Hartz-IV“-Regime durch das „Bürgergeld“ ersetzt. Der Regelsatz ist um 50 Euro auf jetzt 502 Euro für Alleinstehende gestiegen, ersetzt damit kaum die aktuelle Teuerungsrate. Er müsste nach Berechnungen des Paritätischen mindestenst um 200 Euro steigen, um ein menschenwürdiges soziokulturelles Existenzminimum zu gewähren (Die Harke vom 15.03.23). Immerhin wird die Zuverdienstgrenze erhöht, Schüler:innen und Studierende können Mini- und Ferienjob-Einnahmen behalten, der Umzug in eine „angemessene“ Wohnung muss erst nach einem Jahr erfolgen, das Schonvermögen im ersten Jahr beträgt 40.000 Euro, ab Juli 2023 erfolgt ein individueller Kooperationsvertrag mit
Förder- statt Vermittlungsvorrang. Jedoch die Nichtmitwirkungs-Sanktionen bleiben, steigen von 10 Prozent Transferkürzung im ersten Monat auf 30 Prozent im dritten Monat.
Die BI fordert: Sanktionsfreie Mindestsicherung von monatlich circa 1.200 Euro.