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Kritischer Blick auf Anthroposophie und Waldorfpädagogik ermöglichte einen konstruktiven Dialog

Waldorfschulen zwischen "linker Kuschelpädagogik" und esotherischen Verschwörungsideologien


Der WABE e.V. hatte zu einem digitalen Vortrag mit dem Pädagogen André Sebastiani zur kritischen Bestandaufnahme über die Anthroposophie eingeladen, der auch die Waldorfpädagogik auf antiaufklärerische Aspekte hin untersucht hat. Ausgangspunkt für WABE e.V. war die Frage danach, wie anschlussfähig Waldorfpädagogik für die extreme Rechte ist. Geboten wurde den Teilnehmer*innen ein gut visualisierter und sehr verdichteter faktenbasierter Vortrag über die Hintergründe und Praxis der Waldorfpädagogik sowie anderen anthroposophischen Arbeitsfeldern.

Auf der einen Seite gilt die Waldorfpädagogik als „linke Kuschelpädagogik“ und auf der anderen Seite wurden in den vergangenen Jahren immer wieder rechtsextreme Lehrkräfte an Waldorfschulen entdeckt, die dort über Jahre scheinbar unbemerkt ihr Unwesen treiben konnten.

Als eins der aktuellen Beispiele gilt eine Berliner Schule, die nach den Lehren Rudolf Steiners arbeitet und deren Schulleitung wegen enger Kontakte zu Rechtsextremen und Holocaustleugnern nach Veröffentlichungen des WDR ins Blickfeld des Verfassungsschutzes geriet.

WABE e.V. hat im Film „Freie Schulen im Visier der extremen Rechten“ (Andrea Röpke u. Catherina Woj) zunächst die Einflussnahme durch extreme Rechte von außen in den Blick genommen.  Darin wird exemplarisch an drei freien Schulen gezeigt, wie unterschiedliche der Umgang mit rechtsextremen Herausforderungen sein kann.  (siehe www.wabe-info.de) Dabei stellte sich insbesondere mit Blick auf die Waldorfschule Minden die Frage, welche Faktoren in den Schulen selbst die Anschlussfähigkeit  für rechtsextreme Ideologien erleichtern. Bei der Premiere des Films wurde genau diese Frage thematisiert und sollte durch den Vortrag von André Sebastiani bearbeitet werden.

Für André Sebastiani liegt die Anschlussfähigkeit von antiaufklärerischen Ideen bei Waldorfschulen vor allem in der Orientierung an den Ideen der Anthroposophie, die von Rudolf Steiner (1861-1925) formuliert worden sind. Sebastiani beschreibt die Anthroposophie als einen Mix aus esoterischen Gedanken und Glaubenssätzen sowie einem Flickenteppich aus Elementen verschiedener Religionen, die von Steiner als Geisteswissenschaft im Sinne einer Geheimlehre bezeichnet wurde.

Sebastiani problematiserte den Rassismus am Beispiel sogenannter Wurzelrassen in der Lehre Steiners, mangelnde Aufarbeitung der Rolle der Anthroposophie im Nationalsozialismus und die ausgeprägte Affinität zu esoterischen Verschwörungsideologien. Vor allem aber sei das Menschen- und Weltbild sowie die Sicht auf die Geschichte nur schwer mit dem Anspruch einer aufgeklärten Wissenschaft zu vereinbaren. Letzteres erklärt auch die Häufung von Menschen mit anthroposophischen Hintergrund in der Szene der sogenannten „Querdenker“, Coronaleugner*innen und Impfgegner*innen. In manchen Schulen ginge mit Bezug auf die Haltung zur Pandemie aktuell ein Riss durch die Elternschaft. Dazu lieferte die zugeschaltete Journalistin Margarete Moulin, die kürzlich in der Wochenzeitung DIE ZEIT einen lesenswerten Artikel zum Thema des Abends veröffentlicht hatte und selbst Kinder in einer Waldorfschule hat, anschauliche Beispiele.

Am Beispiel der „Stuttgarter Erklärung“ gegen Rassismus und Diskriminierung des Bundes der Freien Waldorfschulen zeigt Sebastiani auf, dass es durchaus Bestrebungen gibt, sich gegen Rassismus zu positionieren. Bislang wird allerdings häufig geleugnet, dass die antiaufklärischen Aspekte grundlegende Elemente der anthroposophischen Lehren sind.

Abschließend bleibt der Hinweis der Veranstalter darauf, dass es trotz des sehr kritischen Blicks auf die Waldorfschulen, nicht um eine pauschale Einordnung der Waldorfschulen als rechtsextrem oder einer Verurteilung der vielen engagierten Pädagog*innen geht, sondern um eine Stärkung gegenüber Einflussnahme durch extreme Rechte.  In diesem Sinne hoffen wir gerade unter Schüler*innen, Lehrkräften und Eltern an Waldorfschulen, viele konstruktive Diskussionen auszulösen.

WABE e.V. Geschäftsführer Rudi Klemm erläutert „WABE kooperiert seit langem mit Waldorfschulen im Rahmen von Schulen ohne Rassismus – Schule mit Courage und wird dies auch weiter tun, weil wir davon überzeugt sind, dass unsere jeweiligen Partner*innen ein starkes Interesse an der Profilierung des demokratischen Leitbildes ihrer Schule haben. In diesem Sinne freuen wir uns auf weitere interessante Diskurse.“

Er zieht mit Blick auf die hohe Besucher*innenzahl und der regen sachlichen Diskussion ein durchweg positives Resümée und verweist auf Literaturempfehlungen unter www.wabe-info.de.

 Das Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie & Zivilcourage (WABE) wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.

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