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6. WABE-Demokratiekonferenz feiert gute Praxisprojekte und stellt sich neuen Herausforderungen

Deradikalisierung ist Infektionsschutz

Fotos WABE e.V. BestPractice-Akteur*innen: Mareike Peters (Präventionsrat Verden e,V.), Tamara Ritter (Sprotte e.V.), Simone Sommerfeld (Landkreis Nienburg), Mike Fuchs (Jugendpflege Hoya JUZ Connexxxx), BGM Lutz Brockmann (Stadt Verden), Wilhelm Timme (Verdener Waggon e.V.)

Bei der Eröffnung der 6. Demokratiekonferenz des Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie & Zivilcourage (WABE) im Forum der Campus OBS in Verden stellte Bürgermeister Lutz Brockmann die gute Kooperation unter den kommunalen Partnern, die Landkreise und Städte  Nienburg und Verden, in den Mittelpunkt und dankte insbesondere dem Förderverein WABE e.V. für 10 Jahre wirkungsvoller Unterstützung des kommunalen Netzwerks. Für den Vorstand des WABE e. V. nahm Peter Brieber dafür einen Blumenstrauß entgegen und äußerte seine Freude darüber, dass der Verein sich in den vergangenen Jahren so gut entwickelt habe und inzwischen die Trägerschaft für die WABE-Koordinierungs- und Fachstelle in Verden,  sowie für die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Niedersachsen landesweit übernommen habe.

Bei der anschließenden filmischen Präsentation von vier Goodpractice-Projekten hatten die Besucher*innen eine Wahl zu treffen zwischen sehr unterschiedlichen Beispielen guter Projektarbeit im WABE-Netzwerk:

    Beschilderung des „Verdener Waggon“ (Verdener Waggon e.V.)

    Kinder- und Jugendprojekt „Leben auf dem Land“ (Kreisjugendring Nienburg e.V.)

    Escape-Room als Methode der Prävention gegen Radikalisierung (Präventionsrat Verden e.V.)

    Internationales Begegnungsfest für Frauen (Sprotte e.V.)

Am Ende hatte das Nienburger Jugendprojekt „Leben auf dem Land“ bei der Wahl knapp die Nase vorn und kann nun 200 € für die nächsten Aktionen verwenden. Die drei anderen Projektträger erhielten auch ein entsprechend des Votums abgestuftes Preisgeld für die weitere Arbeit im Sinne des jeweiligen Projektes. Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth zeigte sich beeindruckt von den vorgestellten Projekten.

Marlies Meyer, Gleichstellungsbeauftragte des Fleckens Ottersberg,  stellte für die AG frauenORT Cato Bontjes van Beek den neuen Jugendpreis für demokratisches Engagement und Zivilcourage im Landkreis Verden vor. Der Cato Bontjes van Beek-Preis soll an die Widerstandskämpferin erinnern und junge Menschen bis 27 Jahre ermutigen, sich mit Zivilcourage für Demokratie einzusetzen. Bis zum 1. November können Bewerbungen und Vorschläge beim Flecken Ottersberg eingereicht werden. (Infos unter www.wabe-info.de)

Anschließend wurde die neue Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt „Genug ist genug“ (G.i.g.)  in Nienburg vorgestellt. Sie ist beim CJD in Nienburg ansässig und ist Teil einer neuen Beratungsstruktur, die aus drei Beratungsstellen für ganz Niedersachsen besteht. Hier finden alle Menschen, die von Rassismus betroffen sind, parteilich Beratung und Unterstützung. Kontakt: Betroffenenberatung Nds. Nord-Ost / CJD Nienburg Tel. 05021 971111,   E-Mail: betroffenenberatung.nds.nordost@cjd.de

Beim Rückblick auf das vergangene Projektjahr und die Herausforderungen erinnerte Rudi Klemm an den Rücktritt des Bürgermeisters von Estorf wegen rechtsextremer Anfeindungen, an einen kurzen rechtsextremen Aufmarsch in Verden und berichtete über Aktivitäten von Völkischen Siedlern im Südkreis Nienburgs. Mit Bezug auf die rechtsextremen Anschläge in Kassel, Hanau und Halle machte Klemm deutlich, wie gewaltbereit die rechte Szene ist.  Am Beispiel eines FB-Postes, in dem Rechtsterroristen aus Südtirol als Freiheitskämpfer gefeiert werden, zeigte Klemm die Nähe örtlicher Rechtspopulisten zum rechten Terror auf und wies darauf hin, dass bei den dort abgefeierten Bombenattentaten mehr als 20 Menschen getötet worden seien.

Mit Blick auf die geförderten Projekte im Jahr 2020, stellt Klemm fest, dass von 28 geförderten Projekten bisher 5 abgesagt wurden, die im Frühjahr realisiert werden sollten. Die meisten Projektträger hätten mit großem Engagement flexibel auf die Herausforderungen reagiert. Einige Projekte wurden neu konzipiert, manche digitalisiert und es wurden ganz neue Formate erfunden. Um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden, wurden  vom Bund weitere Fördermittel zur Verfügung gestellt.

Mit Blick auf das nächste Jahr sieht Rudi Klemm für WABE eine Reihe von Herausforderungen, stellt  aber drei davon in den Mittelpunkt:

    Zunahme von Hassreden und Rassismus

    Völkische Siedler*innen mit Verbindungen in verschiedene rechtsextreme Millieus

    Antisemitische und andere  Verschwörungsgeschichten

Mit Blick auf die Verbreitung von Verschwörungsgeschichten, die sich gegen Maßnahmen zum Infektionsschutz  richten, macht Klemm deutlich, dass Kritik an den Maßnahmen, die ja massive Grundrechtseinschränkungen und ökonomische Einbußen zur Folge haben, selbstverständlich berechtigt und nachvollziehbar ist. Das müsse eine Demokratie aushalten - das ist existentiell für eine Demokratie, so Klemm.

Eine kleine, sich radikalisierende, Minderheit versuche allerdings derzeit z. B. alte antisemitische Feindbilder in neuer Verpackung zu verbreiten, indem behauptet wird die Maßnahmen zum Infektionsschutz seien Teil einer großen Verschwörung.  Im Umfeld der sogenannten „Querdenker“ in Telegram-Gruppen oder auf anderen Plattformen werden solche Verschwörungsgeschichten verbreitet und geteilt. In diesen Gruppen sind rechtsoffene Alternative, Impfgegner*innen, Reichsbürger und „Hippies“ gemeinsam mit Rechtsextremen und Holocaustleugern im Gespräch.  Man verbredet sich dort zu gemeinsamen Aktionen und verbreitet Materialien gegen die Maskenpflicht, mit denen man z. B. Schulleiter*innen, Gastwirte und Busfahrer*innen unter Druck setzen kann und gleichzeitig das Narrativ, dass die „Merkeldiktatur“ ein Teil der "großen Verschwörung" sei.

In diesem Feld seien in naher Zukunft weitere Herausforderungen für Kommunalverwaltungen und Schulen, aber auch für WABE zu erwarten: Klemm empfiehlt in diesem Zusammenhang, sich zu sensibilisieren, Ruhe zu bewahren, entsprechende Auseinandersetzungen mit Sachlichkeit zu begegnen und Überreaktionen zu vermeiden. Manchmal sei es aber auch notwendig eine Grenze zu ziehen. Dort wo Beleidigungen, Hassreden oder Volksverhetzung beginnen, endet das Gespräch. Im Zweifel können dann strafrechtliche Konsequenzen folgen. In diesem Sinne sei Deradikalisierung zugleich Infektionsschutz.

Die Leiterin des Projektes WABE im Federführenden Amt bei der Stadt Verden, Ilaria Massari, führte souverän durch den Abend und stellte zum Schluss die positiven Aspekte in den Mittelpunkt: das starke Engagement, die erfolgreichen Projekte und das gute Miteinander im Netzwerk. Bürgermeister Lutz Brockmann ergänzte abschließend: „Im nächsten Jahr feiern wir dann 15 Jahre Netzwerk WABE mit einen angemessenen Fest.“  

 Das Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie & Zivilcourage (WABE) wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des  Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“.

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