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„Rechtsextreme in der Mitte der Gesellschaft?“ - Nachbetrachtung zur Veranstaltung

Konstruktiver Austausch zu Theorie und Praxis demokratischen Engagements

Wie weit sind rechtsextreme Einstellungen eigentlich in der Gesellschaft verbreitet? Wird die Demokratie nur von den Rändern her bedroht? Unter Betrachtung der diesjährigen Mitte-Studie setzten sich kürzlich Interessierte und Vertreter:innen aus Zivilgesellschaft und Politik der Weser-Aller-Region mit genau diesen Fragen auseinander. Zudem ging es nach der Vorstellung der Studienergebnisse durch Nina Grünhagen  darum, welche zivilgesellschaftlichen, kommunalen und bildungspolitischen Konsequenzen aus den Studienergebnissen hervorgehen könnten.

Was antidemokratische, rechtsextreme und rassistische Einstellungen angeht, ähneln sich die Beobachtungen der Studiein in vielen Fragestellungen: Die große Mehrheit lehnt diese ab, es gibt jedoch einen nicht unerheblichen Anteil der Befragten, die sich in einem Graubereich zwischen klarer Ablehnung und klarer Zustimmung befindet.

Etwas anders sieht es bei populistischen Haltungen aus. Etwa ein Viertel lässt sich als klar populistisch einstufen, knapp über 40 % sind zumindest in der Tendenz populistisch. Auch Antipathien im Rahmen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist sind bspw. gegenüber Sinti:zze und Rom:nja, Muslim:innen und Geflüchteten recht weit verbreitet. Zudem ist etwa ein Viertel der Befragten offen für völkische und rechte Strategien – angefeuert von der Pandemie fühlen sich rechte Akteur:innen in einer Art Ausnahmezustand, in Rahmen dessen man eine Rebellion ausrufen könne.

Diverse Schnittstellen zwischen Verschwörungsmentalität und rechtem Weltbild begünstigen dabei eine zunehmende Radikalisierung nach rechts sowie eine steigende Gewaltbereitschaft innerhalb der Protestbewegung der Coronaleuger:innen. Über Pandemieverschwörungen hinaus sind auch andere Verschwörungsmythen teils weit verbreitet. So glaubt jede:r Fünfte, dass es geheime Organisationen gebe, die einen großen Einfluss auf politische Entscheidungen hätten oder dass Politiker:innen nur Marionetten dahinterstehender Mächte seien.

Mit Blick auf diese Studienergebnisse und die Appelle an die politische Bildung, die die Studie liefert, wurden die Schlüsse diskutiert, die sich für die zivilgesellschaftliche Arbeit, kommunale Prävention und Bildungsarbeit ziehen lassen. Hier wurde zunächst positiv aufgenommen, dass es eine wissenschaftliche Bestätigung dafür gibt, dass sich zivilgesellschaftliches Engagement nicht (nur) auf die politischen Ränder beschränken kann, sondern es vielmehr der stärkeren politischen Bildung für die Mitte bedarf. Dies deckte sich mit den persönlichen Beobachtungen mehrerer der Veranstaltungsteilnehmer:innen.

Als wichtigen Ansatz, um diesen Appell umzusetzen, wurde das Schaffen eines möglichst attraktiven Gegenmodells zur extremen Rechten festgehalten. Demokratie müsse Spaß machen, so eine der Teilnehmer:innen. So könne man jene Menschen, die sich in dem Graubereich zwischen klarer Ablehnung und klarer Zustimmung zu rechtsextremen und demokratiefeindlichen Einstellungen befinden, erreichen und überzeugen. Damit einher gehen niedrigschwellige Angebote der politischen Bildung, die die Menschen da abholen könnten, wo sie stehen. Zudem müsse Demokratie und Weltoffenheit Teil der gelebten Alltagskultur sein. „Wir müssen Stellung beziehen, menschenfeindliche Ansichten klar als solche zurückweisen und Solidarität zeigen." so Rudi Klemm von WABE. Hier spielt auch die Notwendigkeit einer kritischen Selbstreflexion eine Rolle. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Empfehlung zur Förderung der Mentalisierungsfähigkeit.

Es bedürfe einer Akzeptanz von Unterschieden und einer Offenheit zu diskutieren – ohne hierbei rechtsextreme oder demokratiefeindliche Grenzüberschreitungen hinzunehmen. (Nina  G.)

Quelle:
Zick, Andreas, Küpper, Beate (Hrsg.): Die geforderte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2020/21. Bonn, Dietz, 2021.
Online: https://www.fes.de/forum-berlin/gegen-rechtsextremismus/mitte-studie-2021.

Die Studie und die  Zusammenfassung als Präsentation sind unter www.wabe-info.de verlinkt.

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